Blog • 11. Dezember 2025 • von Toni Haupt
Die große KI-Blase und der Quantenquatsch, Teil 2: Die Quantenflucht
Blog • 11. Dezember 2025 • von Toni Haupt
Die große KI-Blase und der Quantenquatsch, Teil 2: Die Quantenflucht

Wir haben in der letzten Folge genüsslich die KI-Blase seziert. Die Technologie stößt an ihre Grenzen. Die Profite bleiben aus. Die Entwickler werden langsamer statt schneller. Die Party ist fast vorbei und ich spüre schon den Kater im Nacken. Und was macht der schlaue Tech-Bro, wenn die Party stirbt? Der schmeißt keine After-Hour-Party. Der zündet einfach die nächste, noch viel größere und buntere Nebelkerze. Diese Nebelkerze hat einen Namen. Klingt so, als hätte sich das ein Science-Fiction-Autor auf Drogen ausgedacht: Quantencomputing.
Crashkurs Quantenphysik ohne Kopfschmerzen
Klassische Bits versus Qubits. Stellt euch einen normalen Computer vor. Der arbeitet mit Bits. Ein Bit ist wie ein Lichtschalter: entweder an, das ist 1, oder aus, das ist 0. Simpel. Zuverlässig wie ein deutscher Buchhalter.
Ein Quantencomputer arbeitet mit Qubits. Professor Andrea Morello erklärt das so: Ein Qubit ist wie eine Kompassnadel. Ein klassisches Bit zeigt nach Norden oder Süden. Ein Qubit kann vor der Messung nach Norden und Süden gleichzeitig zeigen.
Oder nochmal anders: Ein Qubit ist wie ein Lichtschalter in Berlin. Der ist nicht nur an oder aus. Der ist vielleicht an, vielleicht aus, beides gleichzeitig. Und wenn du ihn fragst, was los ist, sagt er einfach nur: Frag nicht so blöd.
Diesen Zustand nennt man Superposition.
Exponentielle Rechenpower. Mit zwei Qubits hast du vier Zustände gleichzeitig. Mit drei Qubits acht. Mit nur 300 Qubits mehr mögliche Zustände als Atome im bekannten Universum.
Ein Quantencomputer führt nicht eine Berechnung nach der anderen durch. Er macht quasi alle möglichen Berechnungen auf einmal. Deshalb hat ein Quantencomputer vor kurzem ein mathematisches Problem in Minuten gelöst, für das unser bester Supercomputer länger gebraucht hätte als das Universum alt ist.
Das ist, als würdest du ein Labyrinth nicht durchlaufen, sondern einfach das Labyrinth fragen, wo der Ausgang ist. Und es antwortet dir.
Die wichtige Einschränkung. Und jetzt kommt das Aber. Zitat aus einem Veritasium-Video: Quantencomputer sind kein Ersatz für klassische Computer. Sie sind nicht universell schneller. Sie sind nur für spezielle Arten von Berechnungen schneller.
Du wirst damit nicht Netflix streamen. Das ist absoluter Quatsch.
Die Tech-Bros springen auf
Die sabbern schon. Moment mal, denken die sich, das Problem bei KI war doch die Efficient Compute Frontier, diese nervige Wand aus abnehmenden Erträgen. Wenn wir jetzt unendliche Rechenpower haben, können wir die Wand doch einfach einreißen, oder?
Für mich ist das wie ein absurdes Theaterstück. Die Schauspieler merken, das Publikum hasst das Stück, "Die glorreiche KI-Revolution". Also fangen sie an, auf der Bühne ein komplett neues, noch bescheuerteres Stück zu improvisieren. Das heißt dann "Die glorreiche Quantenrevolution". Und sie hoffen, dass das keiner mitkriegt.
Die großen Player sind alle dabei. Google hat seinen Willow-Chip, der eine Berechnung in fünf Minuten schafft, für die ein Supercomputer 10 hoch 25 Jahre bräuchte. Microsoft hat über eine Milliarde in seinen Majorana-Chip investiert, der auf eine Million Qubits skalieren soll. Die eröffnen gerade die größte Quantum-Site der Welt in Dänemark. Amazon hat den Ocelot-Chip.
Nvidia, die mit ihren Grafikkarten in der KI-Blase reich geworden sind, bauen schon die nächste Brücke zwischen GPUs und Quantenprozessoren. Jensen Huang, der CEO, sagt: In der Zukunft wird jeder Nvidia-GPU-Supercomputer ein Hybrid sein, eng gekoppelt mit Quantenprozessoren.
Selbst OpenAI mischt mit. Sam Altman persönlich investiert in die größten Quantum-Startups. Die haben sich Ben Bartlett geholt, einen Top-Quantenarchitekten von C-Quantum. Und Elon Musk, der bei keiner Hype-Party fehlen darf, redet natürlich auch davon.
Das Geld fließt in Strömen. Quantinuum, eine Fusion aus Honeywell Quantum und Cambridge Quantum, hat gerade eine Finanzierungsrunde von 600 Millionen abgeschlossen. Die war so irre überzeichnet, dass sie auf 800 Millionen aufgestockt wurde. Bewertung: 10 Milliarden Dollar. Die höchste für ein privates Quantum-Unternehmen weltweit.
10 Milliarden für eine Technologie, die noch nicht mal richtig existiert. Als würdest du einem Architekten 10 Milliarden für den Bau eines Luftschlosses geben. Und der hat noch nicht mal ein Grundstück.
Die große Karotte: Das Quantengehirn
Große Versprechen, wie immer. Die Karotte, die sie uns vor die Nase halten: Mit der unendlichen Power der Quantencomputer können wir die Begrenzungen der KI sprengen. Wir können endlich eine echte, menschenähnliche Intelligenz erschaffen.
Warum? Weil, und das ist der eigentliche Knaller, die Nobelpreisträger Roger Penrose und Stuart Hameroff die Theorie aufgestellt haben: Unsere eigenen Gehirne sind Quantencomputer.
Bewusstsein, so die Theorie, entsteht durch Quantenprozesse in den Mikrotubuli unserer Neuronen.
Die Idee ist also: Wenn unser Gehirn so funktioniert, dann müssen wir nur einen künstlichen Quantencomputer bauen, um es nachzubauen. Logisch, oder?
Das ist die ultimative Rechtfertigung, um noch mehr Geld in diesen Trichter zu schütten.
Die Flucht nach vorn
Die alte Blase wackelt und man bläst einfach die neue auf. Die Hoffnung: Der Hype um Quantencomputer wird so groß, dass niemand mehr über die geplatzten Versprechen der KI redet.
Die Idee ist verlockend, keine Frage. Unendliche Rechenpower, um die Probleme von gestern zu lösen. Das Geld fließt, die Schlagzeilen sind da.
Aber was ist, wenn der Fluchtweg direkt in eine Sackgasse führt? Was ist, wenn die Wunderwaffe, die uns versprochen wird, einfach nur eine umgebaute Wasserpistole ist?
Das sind die Fragen, die ich mir stelle, wenn ich sehe, was da draußen gerade abgeht. Wir sind mitten in dieser Tool-Vertigo 2.0. Jeden Tag werden wir mit irgendwelchen Workflows zugeworfen. Jeder baut das nächste dicke Ding.
Nächstes Mal bei "Die große KI-Blase und der Quantenquatsch": Wir nehmen den Quantentraum komplett auseinander. Warum die Hardware ein Albtraum ist. Warum die Software das eigentliche Desaster ist. Und warum die ganze Party schneller vorbei sein könnte, als man "Dekohärenz" sagen kann.
Was Dekohärenz ist? Das erkläre ich euch dann.
Bleibt neugierig. Lasst euch nicht verarschen.
Artikel Details
- Autor
- Toni Haupt
- Veröffentlicht
- 11. Dezember 2025
- Lesezeit
- ca. 5 Min.


